Thailand

Ko Yao-Triathlon: Offroad-Moped, Schlamm-Robben und Seil-Heben

Es ist einer dieser klaren Momente retrospektiver Weisheit: Als wir am frühen Nachmittag vollkommen demoliert und ausgelaugt aus dem Dschungel an den Strand von Ko Yao Noi stolpern und sechs fröhlichen Kletterern entgegensehen, die leichtfüßig in unsere Richtung flanieren,  wird mit einem Mal völlig klar, warum am Frühstückstisch keiner in Eile war. Unklar erscheint indes, warum in Gottes Namen uns niemand gewarnt hat?!?

Inselerkundung: Long Beach statt Paradise

“Ist alles kein Problem: Über den Berg und dann dreimal rechts abbiegen.” Die Instruktionen sind bestechend einfach und stimmen uns um 7 Uhr morgens überaus zuversichtlich. Hat doch die Inselerkundung mit dem Moped zwei Tage zuvor bereits erste sachdienliche Hinweise zur Wegführung ergeben. Stundenlang nach der richtigen Abbiegung suchen – das kann uns jetzt im Gegensatz zu dem unglücklichen französischen Kletterer gewiss nicht mehr passieren! Und warum sollte der Weg auch noch schlimmer sein als bei der ersten Rundfahrt durch die allgegenwärtigen Gummiplantagen. Schließlich leben da ja auch Menschen, wo wir langfahren! Echte Gummibauern nämlich! So.

Der Weg zum Paradies ist hart und steinig

Der war mal weiß. Vor der Schlammschlacht.

Aber: Der Weg ins Paradies ist hart und steinig. Eine buddhistische Erkenntnis, die sich auf dem gut 30-minütigen Offroad-Adventure zum “Paradise Resort”, dem Ausgangspunkt für den Zustieg zu mehreren Kletterwänden, wieder einmal mehr als bewahrheitet. “Wie reisen eigentlich die Gäste des Ressorts an?” fragt sich der geneigte Betrachter nach den ersten massiven Schlaglöchern zwischen schmierigen Spurrillen, scharfkantigen Steinbrocken und meterlangen Schlammpfützen. Die Antwort erschließt sich unmittelbar nach Sichtung des opulenten 4-Sterne-Gebäudekomplexes: “Mit dem Boot natürlich! Dummerle!!”

Das Moped schnauft und röchelt die Hügel rauf und runter und gelegentlich muss die Sozia absteigen, damit das Ensemble überhaupt zum Ziel kommt. Was in der naiven  Wahrnehmung am Frühstückstisch noch das Haupthindernis auf dem Weg zwischen uns und einem Deluxe-Klettererlebnis darstellt, entpuppt sich in den nächsten 60 Minuten durchaus als die leichtere der drei Ko Yao Triathlon-Etappen.

20 Minuten mehr machen auch 20 Minuten mehr müde

Strand im Vordergrund nur bei Ebbe sichtbar

Es ist Flut. Der erfahrene Tonsai-Kletterer weiß bereits, dass sich dies unerfreulich auf die Zustiegssituation auswirken kann. Statt rechtsrum dann eben linksrum oder eben mit dem Boot statt zu Fuß. Kennt man alles. Kein Problem. Auf dem Weg zum Kletterfels “The Mitt” (hinten links im Bild) eigentlich auch nicht. Nur gut 20 Minuten mehr Gekraxel quer durch den Dschungel statt Flanieren am Strand. Gut, es hat in der Nacht leider geregnet. Da wird so ein Gekraxel ja schnell anspruchsvoll im schmierigen Lehmboden der südthailändischen Inselwelt. Vor allem, wenn man mittlerweile Flip Flops für echte Wanderschuhe hält…

Als wir nach der Traverse oberhalb des Strandes an der Abbiegung zu “The Mitt” stehen, denken wir auch noch “Naja, jetzt hat’s halt noch ein bissel länger gedauert, aber wirklich schlimm war es nicht.” Richtig. Der wirklich schlimme Teil kommt jetzt: Gekrauche auf allen Vieren, um auf einer erstklassigen Schlammrutschbahn bergauf irgendwie vorwärtszukommen, ist das Programm für die nun folgenden 20-30 Minuten. “Steep walk up. Find ropes and a ladder in place”, heißt es im Führer. Man hätte das interpretieren können.

Epische Märsche, epische Zustiege zum Sicherungsplatz, epische Klettereien

Und hinab zum Kletterabenteuer!

9:30 Uhr. Wir sind am Fels. Klasse. Nur gut 90 Minuten nach Aufbruch vom Bungalow. Ab 12:30 Uhr ist das Ding in der Sonne. Ab 10:30 Uhr angeblich die legendären 40-Meter-Routen auf der linken Wandseite. Die wollen wir als erstes angehen. Zum “Aufwärmen”. Nicht dass noch irgendjemand warm werden müsste… Eigentlich ist erstmal Runterkommen angesagt. 1 Liter Wasser mit Elektrolyten trinken, nach mehrfachen Stürzen Dreck vom Körper abkratzen und Wunden versorgen und dann gleichmäßig Moskitospray auftragen. Es hat sehr viel Natur hier im Norden von Ko Yao Noi. Tukane fliegen durch die Baumwipfel, Echsen krauchen durchs Gestrüpp und das Grünzeug wuchert wildromantisch dicht.

Aber wir sind ja nicht zum Spaß hier. Also: Tief durchatmen und dann den abenteuerlichen Abstieg zu den Sicherungsplätzen der beiden einzigen 6a(+)-Routen der Wand wagen. “Nice long lines, bit of an epic to come down”, sagt der Führer. Es soll auch jetzt noch nicht das letzte Mal an diesem Tag sein, dass wortgetreuer Glaube an die Lektüre den Tag womöglich besser planbar gemacht hätte. Aber wer will das schon…?

Gehen Sie nicht über den Standplatz hinaus, ziehen Sie keine 40 Meter Seil ein

Durchatmen! Augenblicke genießen!

Andererseits lässt die dann folgende Kletterei wieder Zweifel aufkommen an dem Wahrheitsgehalt des gelobten Buches. 6a+? Really? Notiz an mich selbst: 1.) 40 Meter sind verdammt lang und werden irgendwann richtig anstregend. Egal was für eine Zahl im Führer steht. 2.) Der Seilzug ab Meter 35 ist bei einem Einfachseil gigantisch. Klippen fast nicht mehr möglich. 3.) Du willst nie wieder unter diesen Bedingungen 40 Meter am Stück klettern. Insbesondere dann nicht, wenn die Crux ein zwar schöner, aber dennoch irgendwie überhängender Stalaktit auf 38 Metern Höhe ist. Lass es einfach. Geh heim. Oder mach halt Stand bei 25 Metern und hol Deinen Sicherungsmann nach. Himmel nochmal!

Vielleicht nicht direkt ein Wunder, sicher aber ein großes Glück überleben wir tatsächlich alle beide unbeschadet die gesammelten 40 Meter der Route “Eye of the Tiger”. Und schon ist es auch nach 12 Uhr. Prima. Alles andere an der Wand ist in tropischer Sonne nicht mehr kletterbar. Fein. Dann hat sich der epische Weg ja richtig gelohnt! Naja, macht nix, wir wollten uns eh noch die anderen beiden Wände angucken, die hier “direkt um die Ecke” sind. Eine Idee, die vermutlich wirklich nur “Kurzurlauber” mit zuwenig hippiesker Tiefenentspannung und zuviel Abenteuerwut haben können…

Wie genau sieht nochmal die Belohung aus?

Da noch runter...

“HD Wall” und “Big Tree Wall”, zu denen gings doch vorhin rechts an der Abzweigung. Easy! Dann müssen wir ja nur noch auf dem A… nach unten rutschen und dann auf der anderen Seite die paar Meter hoch. Noch ein paar hübsche Routen an der Big Tree Wall, die soll ja nachmittags im Schatten sein. “The reward is a handful of routes in the easier grades”, sagt der Führer über die Wand. Das Wort Belohnung sticht bei der ersten Lektüre noch nicht so richtig heraus. Und auch die Passage “You need to down climb and solo up to the start of the climbs” erzeugt keine dramatischen Bilder im Kopf.

Um kurz nach 13 Uhr und gefühlt schon 4 Mal von einem Bus überfahren, generiert das Live-Bild hingegen eine sofortige Drama-Attacke gepaart mit nachhaltiger Motivationsschwäche. “Wie? Da jetzt auch noch runter? Muss das wirklich sein? Wirklich? Wirklich?” Was solls, das packen wir jetzt auch noch. Kraxel, kraxel an schmierigem Fixseil 4 steile Meter nach unten. Standardsituation eigentlich. Wenn auch etwas hoch. Und jetzt sind wir doch endlich an der Wand, oder?

“Achso, das war ernst gemeint…!”

...und da dann wieder hoch. Neeee, oder?

Nein! Natürlich nicht! Jetzt kommt der Teil mit dem “Solo up”. Will heißen 6 Meter ungesichert mit einem weiteren Behelfsstrick in 4er- 5er-Gelände hochkraxeln zum Wandfuss, wo das Klettern eigentlich erst beginnt. Och nööööööö!!! Das muss jetzt wirklich nicht mehr sein. Großflächige Erschöpfung macht sich breit. Was ist eigentlich aus den guten alten Zeiten mit “Park & Climb” geworden???

Nach kurzer Lunchpause sind wir sicher, das war genug Abenteuer für einen Tag, packen’s zusammen, kraxeln die kürzere der beiden Solostrecken wieder hoch und trollen uns über Stock und Stein zurück Richtung Strand. Der mittlerweile bequem begehbar ist. Die fröhliche Klettergemeinde, der wir hier begegnen, hat denn auch einfach ganz schlau die Ebbe abgewartet, morgens schön gechillt und sich nach den ergiebigen Regenfällen der Nacht ausgeruht und wohlinformiert für die leichter zugängliche Wand entschieden. Bugger.

Vielfache Belohnung: Grateful Climbing und kulinarische Genüsse

Kulinarische Belohungen an jeder Ecke

Doch der Nachmittag ist noch jung und hat (abgesehen von der Rückfahrt auf dem lustigen Achterbahn-Feldweg) eine Reihe weiterer Anforderungen aufzubieten: einen neuen Bungalow finden auf der nahezu ausgebuchten Insel, die beste Pizza Thailands in der original “Pyramid” essen und natürlich die tägliche Ration “Young Fresh Coconut” genießen!

Zur echten Belohnung wird dann der Ausflug zur “Grateful Wall” am Folgetag: eine absolute Traumroute folgt der nächsten – in sensationeller Lage erreichbar mit einem unglaublich netten und hilfsbereiten thailändischen Bootschauffeur. (Selbst verloren geglaubte Wasserflaschen werden hier vor dem Ertrinken gerettet).
Zustiegsdauer: 3 Minuten. Schweißabsonderung und Zugewinn von Dreck am Körper: nicht messbar. Spaß: 150 %

To be continued…

Mehr Bilder vom letzten Ausflug an die Grateful Wall hier:
http://www.simone-viel.de/blog/die-neue-dimension-des-schnellen-zustiegs-boat-climb/

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