Azoren: Zu Besuch bei den Wettergöttern
Die Farben strahlen wie sonst nur in tropischen Gefilden. Vor allem das Grün und das Blau. Irre intensiv und eine Freude für’s Auge.
„Azoren“ – der Name könnte gut auch eine Ableitung des italienischen Wortes „azzurro“ für „blau“ sein. Die gängigere Geschichte ist jedoch, dass die ersten Seefahrer, die sich soweit auf den Atlantik hinauswagten, eine Menge Vögel sahen, die sie für „açores“ hielten. Für Habichte. Mit ziemlicher Sicherheit eine Verwechslung. Vermutlich waren es Bussarde oder vielleicht einer der vielen Meeresvögel.
Der Gelbschnabelsturmtaucher krächzt, klagt und miaut sich hier durch die Nacht wie in kaum einer anderen Region. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ozeanisch + subtropisch = feucht
Und auch wenn die Landschaft alles andere als tropisch ist, das satte Grün der Wiesen und Wälder und das leuchtende Blau von Himmel und Meer ist einer Luftfeuchtigkeit geschuldet, die mich doch sehr an Monsunzeiten in Thailand erinnert.
„Wandern in der Waschküche“ ist daher häufig das überraschende Motto. Noch häufiger ist es allerdings Wandern bei Nass und Nebel. Klingt unattraktiv? Ist aber gar nicht so dramatisch, weil es wechselt wirklich andauernd. Und es wird nie kalt.
Morgens Nebel auf der Höhe, vielleicht etwas Regen mit böigem Wind, gefolgt von prallem Sonnenschein und dampfenden Wäldern in satten Farben wäre ein typischer Tag in der einzigartigen Inselwelt.
Die Azorianer selbst weisen gerne schmunzelnd darauf hin, dass man hier ohne Probleme vier Jahreszeiten an einem Tag erleben kann. Es gibt sogar T-Shirts mit einem entsprechenden Aufdruck.
Wind und Wetter im Wandel und Wechsel
Und so heißt unsere Wanderreise mit Hauser Exkursionen auch „Zu Besuch bei den Wettergöttern“. Ob die Wettergötter und –göttinnen tatsächlich auf den Gipfeln all der azorianischen Vulkane wohnen, kann ich nicht sagen.
Doch wenn dem so ist, dann sind sie hier am richtigen Ort, um mit den Naturgewalten zu spielen. Das Ergebnis ist eindeutig: Das einzig Beständige in ihrer vielfältigen Wetterküche ist der Wandel.
Und das berühmte Azorenhoch? In Europa sorgt es für STABILE Schönwetterlagen. Aber es ist selten zuhause, witzeln die lokalen Führer.
Insbesondere für Kenner und Liebhaber der Balearen und Kanaren ist das Reisen in diesem westlichsten Teil von Makaronesien daher eine hübsche Abwechslung. 😉 Aber nicht nur deswegen!
Transatlantische Mitte
Die Azoren sind wirklich weit draußen: Rund 1.500 Kilometer von Lissabon entfernt und knapp 2.000 von Nordamerika (Neufundland). Eine Lage, die seit der ersten Besiedlung der Inselgruppe im 15. Jahrhundert ihre Geschichte und Entwicklung stark beeinflusst hat.
Zuerst kam die portugiesische Flotte der Entdecker und Eroberer für ihre Pitstops auf dem Weg in die neuen Kolonien vorbei. Später waren es die Walfänger aus den USA und alle Arten von Atlantik-Überquerern. Ganz gleich ob zu Wasser oder in der Luft – die ersten Transatlantikreisenden nutzten die Eilande gerne als Zwischenstopp. Die ersten Wasserflugzeuge landeten hier vor mehr als 100 Jahren.
Und auch die erste transatlantische Kommunikation in Form von telegraphischen Signalen ging zunächst über die Azoren. In gewisser Weise eine Modellgeschichte der Globalisierung.
Heute: aufgeräumte Ruhe
Heutzutage wirken die Inseln fast ein wenig vergessen. Flugzeuge müssen schon lange nicht mehr hier halten und auch die großen Schiffe ziehen mühelos vorbei. Nur die privaten Segler lassen es sich weiterhin nicht nehmen, an den berühmten Häfen von Horta auf Faial und Ponta Delgada auf São Miguel Anker zu werfen.
Für die neuzeitlichen Besucher aus den USA und Europa gibt es hier vor allem eines: eine aufgeräumte Ruhe, jede Menge Geschichte und Geschichten rund um Vulkanausbrüche und Erdbeben, das Wunder der Elemente und jede Menge Naturbegegnung in den leuchtendsten Farben.
Fünfte Tour über fünf Inseln
2021 haben wir die Wanderreise über das Archipel mit seinen insgesamt 9 Inseln auf São Miguel begonnen. Die Hauptinsel wir auch „Ilha Verde“, die grüne Insel, genannt. Sie ist heute das wirtschaftliche Zentrum der Azoren und Sitz der Regierung der autonomen portugiesischen Region.
Touristen landen in der Regel zuerst hier und viele verlassen die vielseitigste und größte Insel auch gar nicht.
Drei Vulkane haben die Insel vor vielen Jahrmillionen geformt. Heute sind sie das Becken für tiefblaue Kraterseen. Wir haben sie im Lauf unseres zwei-wöchigen Inselhoppings alle erwandert.
Kuh- und Käseinsel São Jorge
Das langgezogene São Jorge zeichnet sich aus durch seinen Spaltenvulkanismus und einer steilen Nordküste mit Dutzenden von so genannten Fajas – fruchtbare Schuttfächer aus vulkanischer Erde und Gestein.
Ein einfaches Leben mit viel Ruhe und Abgeschiedenheit erleben wir hier – mit deutlich mehr Kühen als Einwohnern.
Für uns war es Insel Nummer 2 von 5.
Insel und Vulkan Pico
Pico ist das portugiesische Wort für Berg und zugleich der schnörkellose Name des Vulkans auf der gleichnamigen Insel. Pico ist mit 2.351 Metern außerdem der höchste Berg von Portugal und ein wirklich formschöner Vulkan.
Die Ausgesetztheit des Berges mitten im Atlantik und das azorianische Wechselwetter machen aus einer Besteigung durchaus eine respektable Unternehmung. In jedem Fall bekommen Wanderer einen GPS-Sender mit, wenn sie die Hütte auf 1.200 Meter verlassen.
Wir haben dieses Mal nur die Höhenlagen mit ihrer endemischen Flora erkundet, sind durch die UNESCO Welterbe Weinberge am Fuß des Vulkans spaziert und haben unser traumhaftes Ressort direkt am Meer genossen.
Internationales Flair auf Faial
Die direkte Nachbarinsel Faial hat neben São Miguel das wohl größte internationale Flair der Azoren. Walfänger, Segler und die Telegraphenfirmen haben hier historisch Station gemacht. Heute tagt noch das Parlament in der Inselhauptstadt Horta. Unser Hotel war gleich gegenüber und hatte vorne raus Blick auf Pico.
Die Wettergötter waren uns in dieser Woche wahnsinnig gnädig und so konnte ich zum ersten Mal in fünf Azoren-Besuchen die beeindruckende Caldeira des höchsten Vulkans von Faial in strahlendem Sonnenlicht bewundern.
Und natürlich durfte auch der Abstecher zum jüngsten Vulkan der Azoren, Capelinhos, nicht fehlen. 1957/58 ist dieser Berg am westlichen Ende der Insel entstanden und präsentiert sich immer noch als Wüste aus Stein und Sand.
Flores: Klippen und Wasserfälle ganz im Westen
Traumhafte Küstenwanderungen und paradiesische Wasserfälle zeichnen Flores aus, das geologisch bereits auf der amerikanischen Erdplatte. Und tatsächlich haben wir im westlichsten Dorf Europas übernachtet. Dort wo mit dem Atlantik Wind und Wetter ganz ungebremst an die Steilklippen prallen.
Durch eine etwas kreativere Tagesplanung haben wir auch hier alle Highlights bei bestem Wetter sehen können. Den eintägigen Sturm haben wir in einer geräumigen Unterkunft ausgesessen, und konnten die Insel trotz leicht durcheinandergewirbelten Flugzeiten fast wie geplant verlassen.
Alle Highlights zum Abschluss
Zurück auf São Miguel erleben wir noch einen letzten Azorentag mit allem, was die vulkanischen Inseln ausmachen: Großartige Ausblicke auf wilde Gesteinsformationen im Sonnenschein, Spaziergang am Kratersee mit Regen, Wind und Sonne im Wechsel.
Fumarolen, kleine Geysire und heiße Quellen in Furnas, bewölkte Ausblicke über den dazugehörigen Kraterrand in der Höhe, nur um dann doch noch einmal den Himmel aufreißen zu sehen für eine letzte beeindruckende Wanderung ins Grüne und Blaue.
Zwischendurch probieren wir die Spezialitäten der Insel: kleine Käsekuchen, Tee von der einzigen europäischen Teeplantage und natürlich einen schmackhaften Atlantikfisch zum Abschiedsdinner.