Spessartbogen 4. Etappe: Sonne, Schmetterlinge und Skulpturen
Ganz künstlerisch wird es auf der 4. Etappe des Spessartbogens: Die Natur bietet farbenfrohe Blumenwiesen mit Schmetterlingen, seltenen Rasenarten und Orchideen. Und die Menschheit verschönert Wald und Feld mit Kunst und Skulptur.
Wandern an einem Sommertag
Es ist ein heißer Sommertag, als wir am 7. August 2020 die 4. Etappe auf dem Spessartbogen starten. Freunde und Familie haben uns für verrückt erklärt. Aber diese Woche haben wir Urlaub, und überhaupt – frau hört nicht einfach kurz vor knapp auf, nur weil das Wetter nicht ideal ist. Wir vertrauen auf die mildernden Umstände im frischen Spessartwald.
Unser Kilometerzähler läuft ab dem östlichsten Zubringer zum Spessartbogen am Ende des Torweges in Marjoß. Die ersten zwei Kilometer führen über offene Fluren an der Jossa entlang. In den milden Morgenstunden genießen wir die Begegnungen mit Mensch und Hund und Blumenrainen.
Biberteich und Rohrbachgrund
Am Biberteich biegen wir in den ersten Waldabschnitt des Tages und lassen uns von einem weiteren Bachtal verzaubern – der Rohrbach bildet hier einen schmalen Wiesengrund, bevor er in die Jossa mündet. Die vielen kleinen Bäche mit ihren Auen und Weihern sind eines der schönsten Markenzeichen des Spessartbogens. Auch heute werden wir diesbezüglich nicht enttäuscht.
Idyllische Szenen am Bachlauf begleiten uns, bis der Weg in gemächlicher Steigung parallel zur breiter werdenden Schlucht durch Fichtenschonungen und Mischwald über allerlei Windungen auf eine Ebene führt. Soweit so bekannt. Doch dann kommt noch etwas ganz Neues um die Ecke!
Seltene Wiesen ganz wild
Das Naturschutzgebiet Ratzerod bei Neuengronau, das sich schon vielversprechend auf der Karte angekündigt hatte, eröffnet weite Blicke in eine wilde Wiesenlandschaft. Entlang einer Birkenallee, die den Namen “Bachmann” trägt, gelangen wir zunächst zum Erbsgrundweiher.
Das etwas trübe Gewässer mag für Menschen wenig einladend wirken, ist jedoch ein Paradies für Libellen. Leider lassen sich die “Drachenfliegen”, wie sie im Englischen heißen, nicht mit der lapidaren Linse eines Smartphones einfangen.
Orchideen und Schmetterlinge
Das weitläufige Naturschutzgebiet auf 400 Metern über dem Meeresspiegel beheimatet unterschiedliche Wiesentypen lernen wir von dem Informationsschild. Viele seltene und stark gefährdete Tier- und Pflanzenarten haben sich hier niedergelassen.
Von großem Orchideenreichtum ist die Rede, von Arnika und einer großen Vielfalt an Schmetterlingen. Die kleinen und großen Tagfalter begleiten uns beständig auf den gut zwei Kilometern durch die herrliche Landschaft. Die Orchideen blühen wohl eher im Frühjahr.
Pause am Willingsgrundweiher
Gemischte Waldabschnitte mit breiten und schmalen Wegen, Tümpeln und vereinzelten Wanderern, führen uns gemütlich zum Weiher im Willingsgrund. Es ist etwa Halbzeit hier für die rund 23 Kilometer lange Etappe und der perfekte Platz für eine Mittagspause im kühlen Schatten am Wasser.
Sitzbank und Hütte sind etwas abseits des markierten Weges. Der Abstecher lohnt sich jedoch unbedingt, da hier auch der Startpunkt für den Biber-Infopfad liegt.
Der Biber ist zurück in Hessen!
Auf 6 Tafeln verkünden die Initiatoren die frohe Botschaft: Der Biber ist nach 200 Jahren Abwesenheit nach Hessen zurückgekehrt! Und das schon Ende der 80er. Nachhaltig beeindruckt sind wir von der Information, dass ein gut genährter Biber bis zu 35 Kilogramm wiegt und damit mehr als ein Reh. Er ist damit das zweitgrößte Nagetier der Welt und kann über 20 Jahre alt werden und damit älter als die meisten Hunde.
Leider würden sie aber auch oft überfahren, wenn sie schwerfällig eine Straße überqueren, heißt es weiter. Ein hartes Los für den Sympathieträger, der auf allen weiteren Tafeln als genialer Landschaftsarchitekt mit hohem Nutzwert für die Umwelt gepriesen wird.
Fell und Fleisch und Bibergeil
Während unserer Mittagspause will sich jedoch keiner der nachtaktiven Nager zeigen. Ist ja auch tatsächlich zu hell und zu heiß jetzt. Warum der Biber in Hessen ausgerottet war? Die Jäger wollten dem Biber an das ungewöhnlich dichte Fell, heißt es. Außerdem galt er wegen seines schuppenartigen Schwanzes als Fisch und war daher eine ergiebige Fastenspeise. Und dem Drüsensekret “Bibergeil” schrieb man heil- und potenzstärkende Wirkung zu.
Nun, wo Biber nicht mehr auf der Speisekarte steht, breitet sich der behäbige Wassersäuger wohl ungebremst aus. Erste Auswanderer der hessischen Population hätte es bis nach Bayern und in das Flusssystem der Fulda verschlagen.
4. Etappe des Spessartbogens trifft Spessartfährte
Nach der Biber-Lektion führt der Spessartbogen, wie es typisch ist für den Weg, im Halbschatten am Waldrand entlang. Eine mittelmäßige Steigung und breite Wege führen schließlich ins offene Feld bei Sterbfritz, wo wir einen Abschnitt lang der Spessartfährte rund um die Kinzigquelle folgen. Der Teil sieht schon sehr vielversprechend aus, und wir nehmen uns die Tour für eines der nächsten Wochenenden vor.
Auf einer kleinen Anhöhe mit Kruzifix erwartet uns eine prominent positionierte Ruhebank mit Blick auf die Rhön, die sich östlich an den Spessart anschließt. Die Aussicht ist attraktiv, allein der Schatten zu gering. Unverzagt ziehen wir weiter und um die Ecke.
Kreatives Schilderlesen
Am Sportplatz von Weiperz wäre es eigentlich in einem großen Bogen durch den Wald gegangen. Das ermüdete Unterbewusstsein der beiden Wanderinnen hat jedoch entschieden das Schild zu übersehen und in einer spektakulären Abkürzung einen Kilometer einzusparen. Leider dampfen wir auf diese Weise etwas länger in der Sonne als nötig, doch der rettende Wald naht alsbald.
Der letzte große Waldabschnitt des Spessartbogens bietet so Einiges zu unserer Unterhaltung auf. Kein Schaden, denn die gut 6 verbleibenden Kilometer erscheinen bei gefühlten 36 Grad Celsius nun doch recht weit. Indianer statt Räuber, und Gartenzwerge statt Trolle warten im “Zwergendorf” des Schlüchterner Wandervereins “Die Spechte” auf uns. (Bilder siehe Galerie.) Konzept und Sinn der etwas willkürlichen Installation wird hier nicht näher erläutert.
Kunst am Spessartbogen, Teil 3
Dafür steht wenige Meter weiter bergab das bereits vertraute Schild der Aktion “Kunst am Spessartbogen”. Es ist nach Oberrodenbach und Bad Orb die dritte Bemalung ihrer Art. Und sie scheint, der Frische der Farbe nach zu urteilen, die neueste zu sein. Titel: “Wegzeichenformel”. Der Blick vom “Punkt der zentralen Perspektive” und die Pfirsich-Pause kühlen uns noch einmal etwas herunter.
Weiter geht es wieder einmal an einem lieblichen Waldrand entlang in ein weiteres Naturschutzgebiet (“NSG Weinberg bei Hohenzell”) – auch dieses eine blütenreiche Wiesenlandschaft mit seltenen Rasenarten, Orchideen wie das Knabenkraut, Schmetterlingen und Heuschrecken. Es zirpt rechts und links. Bald 16 Uhr. Die Sonne brennt. Der Sonnenschirm ist seit Stunden im Einsatz.
Noch mehr Wiesen und Falter
Wir können das “hochkarätige Schutzgebiet” an der Schnittstelle zwischen den südlichen Ausläufern der Rhön, dem nördlichen Spessart und dem südlichen Vogelsberg zu dieser Stunde nicht mehr wirklich würdigen. Freuen uns an den Blümelchen, aber fragen uns auch, warum wir Schlüchtern noch nicht sehen.
Gut 4 Kilometer noch. Nun noch bergab im Westhang. Eine klimatisierte Kutsche wäre hilfreich. Ich rolle rasant von einem Busch-Schatten in den nächsten.
5 Skulpturen am Wegesrand
Der Spessartbogen kennt Gnade und führt uns einmal mehr in den Halbschatten am Waldrand und in einem weiteren großen Bogen auf die Alte Hohenzeller Straße. Fünf Skulpturen “namhafter Künstler aus dem In- und Ausland” garnieren den Rand des Weges. Sie entstammen einem Symposium aus dem Jahr 2018 erläutern die Hinweisschilder. Das Thema war „Grimmige Liebe“ – eine Anspielung auf die Brüder Grimm, die ihre Märchen auch in dieser Gegen sammelten.
Noch ein paar Hundert Meter durch das kleine Stadtwäldchen und dann liegt das große Ziel unserer Tour vor uns: der hessische Luftkurort Schlüchtern! Über die Kinzigstraße geht es in die Kleinstadt hinein und an den kleinen Fluss, der meine Kindheit begleitet hat.
Großes Finale an der Kinzig
Direkt an der Brücke zur Mauerwiese hin wartet dann auch das große Finale auf uns: Das Abschlussfoto unter dem Spessartbogen. Ob wir Mutter und Tochter seien, fragt uns die fremde Fotografin. Und ich muss schließen, dass der Weg trotz bemerkenswert geringer körperlicher Verschleißerscheinungen auf den 90 Kilometern der vergangenen vier Tage offenbar seinen Tribut gefordert hat.
Wir lachen noch lange über den eigentümlichen Dialog und belohnen uns in der ersten Eisdiele am Platze mit dem wahrscheinlich größten Eisbecher des Kinzigtals. Sommer satt und das zufriedene Gefühl, einen weiten Weg gemeinsam gegangen zu sein.
Dank an die Wegekunschafter des Spessartbogens für ihre vielen liebevollen Bögen und Extra-Ecken und an unsere Familien, die aus dem “Weitwandern Deluxe” eine wirklich bequeme Tour gemacht haben.
Bilanz:
- 23 Kilometer von Marjoß nach Schlüchtern
- Liebhaberweg für Wiesen- und Blumenfreunde
- Verschiedene Naturschutzgebiete bieten einen neuen Blick auf den Spessart
- Verdienter Rieseneisbecher am Ziel
Glücksmomente:
- Idyllischer Rohrbachgrund
- Naturschutzgebiet Ratzerod bei Neuengronau
- Mittagspause am Willingsweiher
- Biber-Infopfad
- Wiesenlandschaft zwischen Hohenzell und Ahlersbach
- Kunst am Spessartbogen kurz vor Schlüchtern
Bildergalerie zur 4. Etappe auf dem Spessartbogen
Weiterführende Links
Übersicht Spessartbogen auf dieser Website:
Zeit zum Träumen
Offizielle Beschreibung der Etappe auf der Website des Spessartbogens:
Unvergessliche Momente
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