Life in the Tropics

International week of madness

Offenbar nicht nur in den entscheidenden Sekunden einer lebensbedrohlichen Situation, sondern auch wenn ungewöhnliche Dinge von geringerer Gefährlichkeit für Leib und Leben geschehen, gerinnt die Zeit. Sekunden dehnen sich aus zu Minuten, Beobachtungen und Schlussfolgerungen tröpfeln in schmerzvoller Langsamkeit in das Bewusstsein. Zumindest in meinem Gehirn ist das so. Vielleicht ist es aber auch nur die Hitze.

Kommt ein Vogel angeflogen…

Es ist Dienstagabend. Eine der letzten Unterrichtstunden des zweiten Terms. Ich bringe meinen weltoffenen Damen gerade brisantes Vokabular im Rahmen der Japankrise bei: “magnitude”, “homeless”, “shelter”, “thousands of dead bodies”,… Die Stunde und die aktuellen Ereignisse im Weltgeschehen sind nicht direkt erheiternd.

Ventilator des Todes

Da fliegt durch die vordere Tür des Klassenzimmers ein taubenähnlicher Vogel zum Whiteboard. Während ich den Kopf Richtung Geflatter hebe, formen sich erste Gedanken. “Oh, da ist ein Vogel in meinem Klassenzimmer! Wie kommt der hier wohl wieder raus?” Es gibt weitere Fenster und noch eine Tür im hinteren Bereich des Zimmers. “Wie könnte ich den Vogel in eine der Richtungen scheuchen? Der bewegt sich ja viel zu schnell…”

Während die Gedanken tröpfeln, flattert das Tier in Panik bereits Richtung Hintertür. So hoch es kann, schön unter der Decke. Wo die beiden Ventilatoren hängen.

Ein sauberer Schnitt

Der Schnitt ist sauber. Der Kopf liegt nun mittig im Raum, der restliche Körper und einige Federn nahe der Tür. Anders als bei geköpften Hühnern bewegt sich auch nix mehr davon. Das sind so die nächsten Ideen, die mir kommen, nachdem ich irgendeinen Ensetzensschrei ausgestoßen haben muss.

Und jetzt??? Krankenschwester Mam ist routiniert zuerst an Ort und Stelle, bewegt den toten Vogelkörper, murmelt irgendwas in Thai. Die Mädels giggeln Thai-Style. Tja. Schippe und Besen holen, Krempel zusammenkehren und in die Tonne kippen. Weiter geht’s.

Private Feuershow

Feuer auf der Base-Party

Freitagabend, die große End-of-the-Term-Party. Mit ausreichend Standgas und einem ordentlichen Schuss Crazyness verkündet einer der thailändischen Gäste (ein Freund von einem Freund eines Studenten), er könne Feuer spucken. Die Bier-Fontaine aus seinem Mund entzündet dann aber leider sein Gesicht.

Hektischer Aktionismus der Umstehenden. Ein Stuhl beginnt zu brennen, dann der Boden. Das Gesicht des Feuerkünstlers ist übel gebrandmarkt. Zum Arzt will er aber nicht. Vielleicht hilft der Alkohol über den Schmerz…

“Sagmal, klettert Ihr eigentlich auch bei Gewitter?”

Sonntagnachmittag, Ferien, Klettern, endlich! Das Wetter schlägt Kapriolen dieser Tage. Schon um 14 Uhr will Gery den Fels verlassen. Dunkle Gewitterwolken türmen sich am Horizont, erstes Grummeln ist zu hören. Doch der Wind treibt die Front meiner Ansicht nach Richtung Krabi. Don’t you think? Was macht schon bissel Regen. Würde wahnsinnig gerne noch die 32-Meter-6b vorsteigen! Der Zustieg zu diesem Fels (“The Keep”) ist ewig aufwändig, da geht man nicht alle Tage hin…

Eben, sagt Gery, mit mehr als vier Jahren Tonsai-Erfahrung und seit gut vier Monaten in der Bucht. Wir brauchen auch einiges an Zeit, bis wir wieder richtig Land unter den Füßen haben. Na gut. Wir einigen uns auf eine kurze Erfrischung am Phranang Beach, bevor wir rübertroddeln in die Heimat. Die Luft steht, es ist drückend heiß.

Beeindruckende Naturschauspiele

Kaum aus dem Wasser geht der Regenguss nieder. Gebückt unter der ausgebreiteten Strandmatte rennen wir zur überhängenden Wand am Strand. Zwei Unermüdliche bouldern im unteren Bereich der Wand, kein Bolt weit und breit. Mit Dutzenden von Strandtouristen stehen wir komfortabel unter dem Dach und bewundern die Naturgewalten über dem Meer, genießen den kühlenden Regenguss.

Da erschütttert ein gigantischer Knall den Strand. Ruckartig drehe ich den Kopf, versuche die Quelle des Lärms zu identifizieren, meine eine Explosion mit gleißenden Funken zu sehen, direkt am Fels rechts oberhalb. Aus welchen Gründen auch immer drehe ich mich ganz zur Wand. Da liegen die beiden Boulderer wie Maikäfer auf dem Rücken, zucken, strampeln mit glasigen Augen. Die Hautfarbe des Farangs hat sich Richtung gelblich-grün-bleich entwickelt. Ganz wächsern wirkt die Haut, die Auge sind leer und irre.

Was war das denn, bitte???

Gewitter-Boulder

Schon wieder diese Langsamkeit im Gehirn. “Oh, mein Gott. Da liegen zwei Menschen. Es scheint ihnen irgendwie nicht gut zu gehen. Was mag wohl passiert sein? Haben die sich hingelegt? Oh, nein! Das war ein Blitz, der gerade in den Fels drei Meter hinter uns geschossen ist. Der Stromschlag muss sie von der Wand geschleudert haben. Und was jetzt???”

Mein Erste-Hilfe-Kurs in Woche 1 war viel zu flüchtig, um schnell zu reagieren. Glücklicherweise ist auch hier wieder handlungsfähiges medizinisches Personal in der Nähe. Ein Arzt und eine Schwester kommen sofort zu den beiden zuckenden Häufchen, fühlen den Puls, sprechen sie an, bewegen die Gliedmaßen. Relativ schnell kommen beide wieder zu Bewusstsein. Nur die Glieder scheinen weiterhin steif. Am Rücken und am Hals haben sie unterschiedliche rote Streifen, die den Ein- oder Austritt der Elektrizität zeigen mögen.

Elektrisierte Kletterer

Allein die gruselige Gesichtsfarbe bleibt eine ganze Weile erhalten, und offenbar haben beide einen Blackout von mehreren Sekunden oder gar Minuten. Nach gut 20 Minuten stehen sie wieder, können gehen und sprechen. Der Regen hat mittlerweile nachgelassen, so dass wir einigermaßen gesammelt den Rückweg antreten können.

Mehr Wahnsinn @home

Im Bungalow erwartet mich eine kranke Sonia. Seit unserer Ankunft am Vortag hat sie hohes Fieber und einen entzündeten Hals. Auch die zweite Nacht in Tonsai schläft sie fast gar nicht, hat unglaubliche Hitzewallungen, gefolgt von starken Schüttelfrost, den selbst zwei Decken nicht lindern können. Nachdem sie sich auch noch mehrfach übergeben muss und am folgenden Morgen so ausgelaugt ist, dass sie nur noch bibbert und weint, bekomme ich Fantasien von tropischen Fiebererkrankungen und schleppe sie zum Arzt nach Ao Nang.

Anziehen unter Schmerzen, runter zum Strand, warten bis genügend Leute da sind, damit das Boot ablegt, Tuk-Tuk zu Touri-Doktor Soompong, weiter warten, Spritze, begütigende Worte und das stärkste Penicillin, das es in Asien zu kaufen gibt. “Damit sind Sie in zwei Tagen wieder gesund”, verspricht der Arzt, der eindeutig mehr Ahnung hat als Dr. Awamumbi in Arco, Gott-hab-ihn-selig. 😉

Rundum-Betreuung im Land des Lächelns

Auf dem Weg gibt es  (wieder) viel herzerwärmende Thai-Nächstenliebe: Heißes Wasser und Tiger Balm im Frühstücksrestaurant neben der “Polyklinkik” sowie allerlei Ratschläge von den verschiedenstens Gesprächspartnern auf unserem Weg.

Wirklich furchterregend bleiben nur die Geschichten unserer Wirtin Joy: “Bitte bedenkt, dass wir hier im Grunde auf einer Insel sind. Wenn es jemanden wirklich schlecht geht, sage ich immer, geh aufs Festland, nach Ao Nang und bleib da über Nacht. Wenn hier jemand dringend zum Arzt oder ins Krankenhaus muss und dann zieht ein Gewitter auf und die Boote können nicht ablegen, bleibt nicht viel – nur der Weg über die Berge durch den Dschungel…”

Dermaßen motiviert und von unglaublichen Wunder-Medikamenten gepusht, wird Sonia innerhalb von 24 Stunden nahezu wiederhergestellt. Die Ferien können beginnen!

5 Comments

  • Sylvia

    Ok….eigentlich wollte ich dir eben eine Mail schreiben, aber die Geschehnisse hier erscheinen mir….wie soll ich sagen…irgendwie langweilig im Vergeleich 🙂

  • Suska

    wow, das liest sich ja spannend wie ein Krimi.
    was du so erlebst. das mit dem blitz finde ich ja ultra spannend? Hatten die beiden Haluzinationen gehabt? oder nur black out?
    freut mich das thai docs mehr drauf haben wie Dr. Awamumbi 🙂
    Pass schoen weiter auf dich auf!

    • Simone

      Habe keine genaueren Infos bezüglich möglicher Halluzinationen der Betroffenen. Konnte sie leider nicht im Detail interviewen direkt nach dem Unglück – obwohl mich die Neugier fast umgebracht hat. 😉

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