Thailand

Mit dem Nagelknipser des Nachts am Ufer des Kanals

Krathong

“Das Neue freudig begrüßen, alles Alte fahren lassen”: Die Idee von Loy Krathong, dem thailändischen Lichterfest, lässt sich am leichtesten mit einer einfachen Maniküre oder einem partiellen Haarschnitt realisieren. Und so stehen wir Mitte November mit Schere und Knipser bewaffnet am Ufer eines Kanals im trubeligen Bangkok und platzieren ein wenig totes Protein in unseren Krathongs.

Krathongs, das sind kleine Flöße aus dem Strunk eines Bananenbaums und Bananenblättern, die mit allerlei Blüten, Kerzen und Räucherstäbchen dekoriert werden. Idealerweise sind die biologisch abbaubar und bringen dem Absender Glück. Dazu muss man neben abgeschnittenen Fingernägeln und Haaren auch noch eine Geldmünze in dem Mini-Schiffchen platzieren, seine Wünsche in Gedanken formulieren und das Gesamt-Ensemble in einem Gewässer aussetzen.

Neustart mit Licht und Wasser

Alles Alte, aber auch aller Ärger oder Groll und alle “Verunreinigungen der Seele” können so davon gesandt werden und das Leben beginnt wieder einmal frisch und unbelastet. Mit der Münze im Boot kommt gegebenenfalls noch ein warmer Geldsegen in der Zukunft dazu. Ein Konzept, das mir prinzipiell auch für das westliche Neujahrsfest anwendbar scheint. ^^

Allerdings müsste es vermutlich in einer umweltfreundlichen Variante adaptiert werden. “Flüsse und Kanäle können schon lange nicht mehr die gigantischen Krathong-Mengen aufnehmen”, klagt die nationale Presse beim vergangenen Lichterfest. Neuerdings kann der problembewusste Thailänder daher sein Schiffchen auch virtuell im Internet zu Wasser lassen.

Flussverschmutzung durch Bananenboote

Eine besondere Sorge gilt 2011 der Infrastruktur an den Kanälen in Bangkok: Das Netz der so genannten “Klongs” war der Schlüssel zur Lösung der Flutkatastrophe in der Hauptstadt. Nur mit Hilfe einer gezielten Steuerung der Wassermengen durch Schleusen und dem Einsatz von Tausenden von Pumpen konnte die Innenstadt vor einer Überschwemmung bewahrt werden. Was wenn nun die Krathongs die Kanäle verstopfen und die Pumpen außer Gefecht setzen?

Und überhaupt: Kann man wirklich ein Fest an Flüssen und Kanälen feiern, wenn Teile des Landes unter einem Zuviel an Wasser leiden? Und kann man es denn auch noch guten Gewissens in der Hauptstadt tun, wo so viele in den Vororten und Randbezirken durch das Jahrhunderthochwasser ihr Hab und Gut verloren haben und noch lange Zeit an den Folgen leiden werden?

Die Flussgöttin besänftigen

Am Kanal

“In gewisser Weise müssen wir das Fest jetzt mehr denn je feiern”, sagt Tom Praisan, unser Kanal-Guide in Bangkok. Denn die Flussgöttin zu besänftigen und alles Schlechte für einen Neubeginn davonfahren zu lassen, dürften so ziemlich die dringlichsten Wünsche der Betroffenen sein. Und wirklich: Auch wenn die thailändische Tourismusbehörde TAT alle offiziellen Zeremonien und Events abgesagt hat – die Bangkokians lassen sich ihr Loy Krathong nicht nehmen.

Tausende von Menschen sammeln sich an den Kanälen und am großen Fluss Chao Praya. Am Ufer gibt es die üblichen Festtagsstände mit Snacks und warmem Essen, Kleidung, Spielzeug und Festival-Trash. Mit den großen weißen Himmelslaternen, diversem Feuerwerk und natürlich den Krathongs bewaffnet ziehen die Thai dann irgendwann gen Wasser  und lassen ihre Wünsche, Ängste, Sorgen und Nöte davonfahren. Für eine bessere Zeit danach und für mehr Wasser an den richtigen Stellen. Chock dee khaa, Bangkok!

One Comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.