Thailand

Thailand wählt – weitere Unruhen erwartet

Seit mittlerweile fünf Jahren befindet sich Thailand in einer politischen Krise, deren gewalttätiger Höhepunkt mit über 90 Toten im Mai 2010 auch die westlichen Medien erreicht hat. Die Ausflösung des Parlaments vor rund vier Wochen markiert das vorläufige Ende einer halben Dekade voller Demonstrationen und Proteste in Bangkok.

Vorzeitige Neuwahlen sind für den 3. Juli angesetzt. Kommentatoren bezeichnen die Wahl als “eine der wichtigsten in der jüngeren Geschichte Thailands”. Doch Experten erwarten – je nach Ausgang der Wahl – weitere Unruhen in der Hauptstadt.

Die Gelben

Gelbhemden. Quelle: AFP via Bangkok Post

Stark vereinfacht gesagt geht es um den Konflikt zwischen dem royalistischen Establishment aus der Stadt und der ärmeren Bevölkerung vom Land; plastisch gesprochen zwischen den Gelben und den Roten. Gelb gilt als die Farbe des Königs, weswegen die königsnahen Eliten bei öffentlichen Auseinandersetzungen und Protestaktionen diese Farbe tragen. Diese Eliten gelten als sehr einflussreich und werden überdies vom Militär unterstützt.

Im politischen System Thailands werden die beiden Strömungen durch zwei größere Parteien repräsentiert: die “Democrat Party” (gelb) des aktuell amtierenden Premierministers Abhisit und die “Pheu Thai Party” (rot) des 2006 durch das Militär gestürzten und im Exil befindlichen Ex-Premiers Thaksin.

Die Roten

Rothemden. Quelle: reuters via Bangkok Post

Die rote Partei gilt als populistisch. Sie wirbt  mit Gesundheitsversorgung und Bildung für alle sowie mit billigen Krediten um ihre Wähler. Sie findet ihre Anhänger vor allem in der Fläche, aber auch in den Reihen der weniger wohlhabenden Stadtbewohner. Unterstützung gibt es darüber hinaus von Studenten, Linksaktivisten und einer Reihe von Geschäftsleuten, die den Eingriff des Militärs in die Politik als Bedrohung der Demokratie wahrnehmen.

Die Geschichte im Überblick:

  • Sommer 2006: In Straßenprotesten vereinen sich verschiedene royalistische und ultra-nationale Gruppen sowie die städtische Mittelklasse zu den “Gelbhemden”. Vorwurf gegen die Regierung von Premier Thaksin: Korruption und Machtmissbrauch.
  • September 2006: Militär-Coup gegen den seinerzeit amtierenden Präsidenten Thaksin von der “Pheu Thai Party”
    Thaksin geht ins Exil nach Dubai, um einer Verurteilung wegen Korruption zu entgehen; aus dem Exil wirkt er nach wie vor als einflussreicher Führer seiner Partei
  • Dezember 2007: Die ersten Wahlen nach dem Coup werden von Thaksins Verbündeten gewonnen
  • Mai 2008: Mit Sitzstreiks in Regierungsgebäuden protestieren die Gelbhemden gegen die Regierung als ein “Proxy” von Thaksin
  • November 2008: Gelbhemden besetzen wochenlang mit Sitzstreiks die beiden Flughäfen in Bangkok und fordern weiter die Auflösung der Regierung – ein Albtraum für die Tourismusindustrie, das Rückgrat der thailändischen Wirtschaft.
  • Winter 2008 / 2009: Aufgrund einer Gerichtsentscheidung wird die Regierung aufgelöst und stattdessen die “Democrat Party” mit dem neuen Premier Abhisit ins Amt gehoben.
  • März 2009: Mit einer Serie von Protesten außerhalb von Regierungsgebäuden wenden sich die Rothemden gegen das Parlament, das nicht gewählt, sondern ernannt wurde. Es kommt schnell zu Eskalationen.
  • April 2009: Der Asean-Gipfel wird abgesagt, nachdem Rothemden den Veranstaltungsort stürmen. Es folgen weitere gewalttätige Proteste mit ersten Opfern. Das Militär verstärkt seine Truppen und es kommt zu einer kurzen Ruhepause.
  • März 2010: Die Rothemden sammeln sich wieder. Sie fordern mit neuerlichen Kundgebungen in Bangkoks Altstadt und den Geschäftsvierteln die Auflösung des nicht gewählten Parlamentes und echte Neuwahlen. Die Demos dauern für rund zwei Monate an.
    Es heißt, der Protest sei von Thaksin aus dem Exil organisiert und erkauft worden – mit bezahlten Demonstranten. Die Zahl der Protestler summiert sich zeitweise auf bis zu 100.000.
  • 19. Mai 2010: Nach verschiedentlichen Verhandlungen löst das Militär mit Soldaten und Panzerfahrzeugen die Demonstrationen auf. Es kommt zu Ausschreitungen: Demonstranten schießen auf die Soldaten, diese antworten mit “exzessiver Gewalt”, heißt es. Mehr als 90 Menschen sterben. Darunter einige Soldaten, aber noch viel mehr Zivilisten: Demonstranten, Journalisten und Ärzte.
    Die Wirtschaft wird von den Ereignissen hart getroffen.
  • 9. Mai 2011: Auf Antrag des “Democrat Party”-Premiers Abhisit löst König Bhumibol das Parlament auf und setzt Neuwahlen für den 3. Juli an.
  • Kandidatin Yingluck. Quelle: AFP via Bangkok Post

    16. Mai: Die “Pheu Thai Party” nominiert Thaksins jüngste Schwester Yingluck als Kandidatin für die Wahlen. Sie ist die erste Frau, die sich um das höchste politische Amt in Thailand bewirbt. Vielen gilt die in politischen Dingen eher unerfahrene 43-jährige Geschäftsfrau als Marionette Thaksins.

  • 19. Mai 2011: Anhänger der Opposition in roten Hemden erinnern in einem Proteszug an den blutigen Mai des Vorjahres.

Neue Unruhen nach dem 3. Juli?

Die Wahrscheinlichkeit für neue Unruhen nach der Wahl ist nach Meinung von Experten hoch – ganz gleich wie die Wahl ausgeht: Wenn die Rothemden von der Regierung ausgeschlossen werden, ist mit neuerlichen Protesten zu rechnen, heißt es. Wenn sie jedoch gewinnen, könnte das Militär und das Establishment das Ergebnis erneut mit einem Coup oder einer Intervention von Gericht nichtig machen.

Angeblich hat die Regierung den oppositionellen Medien bereits vor Wochen eine strenge Zensur auferlegt.

Die Leitartikel der großen Gazetten plädieren daher wenig überraschend vor allem für eines: für freie und faire Wahlen. Denn nur wenn das Ergebnis glaubwürdig und unbeeinflusst erscheint, hat das “Land des Lächelns” eine Chance, politisch für eine Weile zur Ruhe zu kommen.

Spezialseite zur Wahl der Bangkok Post:
http://www.bangkokpost.com/news/election

One Comment

  • Simone

    So im Zusammenhang gelesen fragt man sich ja, ob man unter diesen Umständen überhaupt noch nach Thailand reisen sollte in näherer Zukunft… Wie so häufig bei Konflikten dieser Art gilt aber auch hier: Fernab der Hauptstadt ist nichts von den Vorkommnissen zu spüren.
    @Christoph: Musst halt gleich in den Süden kommen. 😉

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